Ein Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers / der Kölnischen Rundschau vom 17.02.2017
Die Maläste mit der Karnevals-Bürokratie
Prinzengarde hat mit Problemen zu kämpfen – Die nächste Damensitzung findet aber statt – Einbruch in die Turnhalle
Von Ramona Hammes
MECHERNICH. Es ist ein Samstag mitten in der Session. 850 bunt kostümierte Damen haben sich in der Mechernicher Dreifachhalle versammelt. Karneval und gute Laune sind angesagt. Es ist ihre Sitzung. Auf, vor und hinter der Bühne ist in diesen Stunden nichts davon zu spüren, dass solche Veranstaltungen für die Crew, die sie zu stemmen haben, ein echter Kraftakt sind. Und dass sie rund um das fröhliche Treiben mit Widrigkeiten zu kämpfen und Enttäuschungen wegzustecken haben.
Seit 35 Jahren zeichnet die Prinzengarde für die Damensitzung verantwortlich. Geboren wurde die Idee übrigens im Rahmen der Herrensitzung: Einige Damen standen damals vor der Tür und forderten „ihre“ Sitzung ein. Gesagt, getan. Die Damensitzung ist seitdem ein Hit im Eifeler Karneval – die Herrensitzung fand vor elf Jahren zum letzten Mal statt, mangels Publikumszuspruchs wurde sie eingestellt.
Für Auf- und Abbau, um die schnöde Turnhalle in einen Festsaal und wieder zurück zu verwandeln, rücken vor und nach der Damensitzung um die 25 Helfer an. Sechs Vorstandsmitglieder stemmen im Vorfeld die Organisation inklusive des immensen „Papierkrams“.
Als „schwer zu ertragen“ bezeichnet Prinzengarde-Pressesprecher Wolfgang Schmidt die immer weiter steigenden behördlichen Auflagen. Die Mechernicher spüren deutlich, wie streng seit dem Love-parade-Unglück Vorgaben in Sachen Sicherheit und Brandschutz geworden sind. Natürlich wollen die Organisatoren die Veranstaltung für ihre Gäste so sicher wie irgendmöglich machen.
Doch zuweilen kommen ihnen Zweifel an der Sinnhaftigkeit angeordneter Maßnahmen. Aus dem Bündel so vieler Kleinigkeiten nennt Schmidt das Beispiel des Veranstaltungsmeisters, der seit einigen Jahren Pflicht ist. Dieses Jahr sei der besonders streng gewesen. Um 13.50 Uhr – zehn Minuten vor Beginn der Sitzung – habe er gefordert, die Treppe zur Bühne umzuräumen.
„20, 30 Jahre war es in Ordnung, dass die da gestanden hat“, sagt Schmidt. Und nun sollte sie an die Wand gestellt werden, damit jemand im Falle eines Falles in Richtung Wand und nicht gegen die Box fallen könne. Zudem habe der Mann eine „Stolperfalle“ in Form zweier Bretter am Laptop-Tisch gefunden, die Umbauarbeiten nötig machte. Natürlich sei man da genervt, bekennt Schmidt, aber: „Da fangen Sie keine Grundsatzdiskussion übers Leben an, sondern tun, was verlangt wird.“
In diesem Jahr hat die Prinzengarde mit weiteren Unbilden zu kämpfen gehabt. In der Nacht nach der Sitzung wurde in die Halle eingebrochen. Offenbar waren die Täter auf der Suche nach Bargeld – doch das hatten die Mechernicher natürlich nicht zurückgelassen.
Zudem habe erst wenige Tage vor der Sitzung geklärt werden können, wie denn der Hallenboden abgedeckt werde. Die alte Schutzabdeckung war beim Wasserschaden in der Halle zerstört worden. Eine neue wurde von der Stadt im vergangenen Jahr vor der Veranstaltung mit Arbeitsministerin Andrea Nahles beschafft – doch der Schutzboden ist wasserdurchlässig und damit für eine Veranstaltung mit Getränkeausschank nicht geeignet. „Warum hat man dann nicht gleich den Undurchlässigen bestellt?“, fragt Schmidt. Hier kann Mechernichs Beigeordneter Thomas Hambach für Aufklärung sorgen: Man benötige verschiedene Schutzabdeckungen. Die wasserundurchlässige sei ebenfalls bestellt, aber noch nicht geliefert. Diese stehe für die kommende Session zur Verfügung.
Er kann grundsätzlich nachvollziehen, dass die Sicherheitsauflagen den Veranstaltern einiges abverlangen, findet es gar bedenklich, wenn dadurch das für die ländliche Region so wichtige, vereinsgestützte Brauchtum erschwert wird. Doch er wirbt auch um Verständnis: „Wir fordern nichts, was wir nicht fordern müssen.“
Zu den ganzen Vorschriften gesellt sich, so Schmidts Beobachtung, noch ein Problem im Kernort: „Es ist schwer, Mechernicher für Veranstaltungen in der Stadt zu begeistern und anzulocken.“ Nachwuchsprobleme gebe es in vielen Vereinen, so Schmidt. Mit geringen Besucherzahlen haben bereits alle Gesellschaften des Ortes zu kämpfen gehabt: Beim Festausschuss hat’s vor Jahren bei den Sitzungen arg mau ausgesehen, die Bleifööss verzichten dieses Jahr auf die Sitzung, die Prinzengarde- Herrensitzung gibt’s seit Jahren nichtmehr. Schmidt: „Speziell die Mitbewohner aus den neuen Gebieten wie Vier Wege und Mechernich-Nord sind vom Vereinsleben in Mechernich weit entfernt.“
Dabei gebe es für eine Mitarbeit in Vereinen viel Wertschätzung. Und es sei eine prima Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen und etwas über das kulturelle Leben der Stadt zu erfahren, in der man nun zu Hause ist.
Ob die Prinzengarde angesichts der Maläste nicht die Lust an Veranstaltungen wie der Damensitzung verliert ? Mitnichten. Schmidt hat gleich eine Ankündigung parat: „Die nächste Damensitzung findet am 3. Februar 2018 statt – entgegen anderslauteren Gerüchten !“
PRINZENGARDE 1972 E.V. MECHERNICH
Die Prinzengarde ist in Anlehnung an das Mechernicher Stadtwappen blau-gelb. Gegründet wurde sie 1972. Der Schlachtruf ist „Drei Mal Zieh Blank“ (das kommt vom Säbel ziehen). Die erste Herrensitzung fand 1981 statt, 1982 folgte die Damensitzung. Zum ersten Mal im Zoch war die Prinzengarde schon 1973 dabei. Besonders freuen wir uns jedes Jahr auf die Damensitzung. Sie ist mittlerweile eine große Veranstaltung über die Landesgrenzen hinaus – sämtliche Karnevalsgrößen haben uns auf den Sitzungen schon besucht. Tränen lachen wir immer beim Aufbau und Abbau der Damensitzung. Mal fallen Räder beim Transport von Bühnenelementen ab. Mal werden lustige Utensilien morgens nach der Sitzung gefunden. Mal finden wir sogar schlafende Frauen. Bei Auftritten der Big Band wurden schon Musiker auf Rastplätzen vergessen, was erst bei der Ankunft auffiel und in Zeiten ohne Handy einiges an Organisation verursachte. In einem Proberaum wurde um 22 Uhr der Strom abgestellt, so dass man mit Taschenlampe einpacken musste. Tollitäten zu finden, wird immer schwieriger. Arbeit in den Vereinen allgemein steht heute nicht mehr im öffentlichen Interesse. Unser Orden zeigt das Vereinslogo. Er wird in der Regel eingekauft in einer Manufaktur, einige Orden in der Historie sind selbst entworfen worden. |